Auf der Reise entsorgt man vieles, das angesammelte «Gerümpel» wird frei und ±vernünftig (oder gelegentlich dringend) immer wieder mal über Bord geworfen. Anderes hingegen bleibt im Rucksack für den nächsten Tag — ich nahm es kurligerweise mit in die jeweils neue Heimat … und nicht immer ist klar, was den Ausschlag gab.
… wild und frei: «Pegasus und sein Sternbild», 1969, ZNr. 462, KiK CH-10
Im Frühling 1968 gratulierte eine liebe Nachbarin dem zehnjährigen Knaben mit einer Hans Erni-Karte zum gelungenen Examen; dieser Kick war über Jahrzehnte und ist bis heute das Lesezeichen im begleitenden Buch …
«Cheval Blanc» (d'après une lithographie originale), 1960,
Karte, 14.9 x 10.8 cm, Editions Hedimot/Basel – J.J. Hummel;
(Original: Lithographie «Pferd», 1953, WV Nr. 90)
Wie damals üblich, entsorgte ich als Teenie fürs Taschengeld Altpapier und fand zufälligerweise die Werbung einer Erni-Edition — der eigentlich wertlose Werbedruck wurde sorgfältig ausgeschnitten, hing lange gerahmt an der Wand, und Jahrzehnte später ist das Bild immer noch da …
«Easter 1968 to my darling wife», 1974, Ausschnitt aus einem Faltprospekt
— wahrscheinlich wie ich Dank Josef im Mai 2013 herausfand: tatsächlich —
zur Kassette «Hans Erni in Bild und Wort»,
Éditions Le Moulin SA, Muri/BE, 19.5 x 26.8 cm (die seltene Vorlage)
Während und nach der Arbeit zu «Kunst im Kleinen» habe ich rückblickend erkannt: Hans Erni begleitet mich seit meiner Kindheit, seine Bilderwelt hat mich in Bann gezogen und nicht mehr losgelassen.
… zwei Jahre nach Kriegsende und knapp ein Jahrzehnt vor meiner Geburt:
1947 — Zeus verwirrt schielend, Europa wartet ab — Tempera auf Karton,
ca. 33 x 42.5 cm, signiert/datiert «erni 12.11.47»; einfach grossartig …
Hans Erni muss ich nicht ausgiebig vorstellen: Es gibt genügend Greifbares und Virtuelles, die öffentlichen Arbeiten, das Museum in Luzern und seine Werke weltweit, viele Artikel, Bücher, Kataloge, Werkverzeichnisse und die stete Anwesenheit im web; kein einziger Tag vergeht ohne mehrere «Hans Erni»-Angebote bei eBay, ricardo, delcampe und anderen Plattformen.
«Fraiche nacrée ebouriffée», Paris 1959, seltene Radierung zu: Paul Eluard,
«Sommes-nous deux ou suis-je solitaire», abgezogen bei Aldo Crommelynck,
Japanpapier, ca. 11.8 x 20.6 cm (Platte), num. «HC 5», sig. «erni»
Deshalb will ich hier Nischenarbeit leisten und dokumentieren, was weniger bekannt ist oder andernorts eher übersehen wird — aka «Kunst im Kleinen» —, denn was einem zufällt, kann man aufheben und betrachten. Hans Erni und ich begegneten einander gelegentlich früher — durch glücklichen Zufall und 1989 wegen eines runden Geburtstages —, doch fanden wir uns erst im Januar 1994, als ich ihm einen schmalen, sechzehnseitigen Katalog seiner Medaillen in Schwarzweiss vorschlug.
der KiK-Vorläufer, ein Unikat: Briefmarken-Collage mit Crayon-Zeichnung,
ca. 51.5 x 40.5 cm (Blatt), datiert «29.6.89», handsigniert «erni»
Aus dieser Fügung entstand unerwartet über eineinhalb Jahre «Kunst im Kleinen»: ein Werkverzeichnis, ein Stück Zeitgeschichte von 1941 bis 1995 und ein Bilder-Lese-Buch über 320 Seiten mit rund 500 Abbildungen, schliesslich dargestellt auf zwei Stockwerken im Hans Erni-Museum und an mehreren Tochterausstellungen; ich hätte das nie gedacht …
«Zwibelegrind», 1985 (Skizze zum Europäischen Jahr der Musik),
1996 (Text), Tempera und Bleistift auf Papier, 15.1 x 21.0 cm
Vor, während und nach meiner Arbeit an «Kunst im Kleinen» warf man mir hie und da vor, ich sei Hans Erni gegenüber «politisch zu nachsichtig», zu begeistert von seinen «Zeichnungen» oder schlicht blind für «wirklich wahre Kunst». Ok, das nehme ich gerne auf meine Kappe. Was stimmt: Trotz aller politischen Ausmarchungen, gerade weil wir auch miteinander stritten, ist mir Hans Erni sehr sympathisch — nicht zuletzt, weil er Fragen nie auswich, weil er die Auseinandersetzung nicht fürchtete, weil er schöpferisch anders dachte, weil er sein Handwerk beherrschte, wirklich arbeitete und über Jahrzehnte humanistisch sein Eigenes lieferte … und yep, es stimmt: Unter dem berühmten Strich gefiel mir sein künstlerisches Schaffen immer wieder, selbst als es weder Mitte des Jahrhunderts politisch mehrheitsfähig noch im Abklang der späten Sechziger modischicky war. Heute, im Rückblick bin ich weiterhin von seiner Kraft und Kunst überzeugt: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben weltweit vier Schweizer die bildende Kunst mitgeprägt: Hans Erni, Hansruedi Giger, Jean Tinguely und Max Bill.
Hans Erni in seinem Atelier, 2010
PS: Das Copyright praktisch aller Illustrationen liegt naturgemäss bei Hans Erni, manchmal auch bei den jeweils auftraggebenden staatlichen oder privaten Organisationen und Unternehmungen sowie bei den Besitzern der Werke — wie bei «Kunst im Kleinen» danke ich herzlich für das ausdrückliche oder stillschweigende Ok zur Veröffentlichung. Die aufgeführten oder zitierten Bücher vom und über den Künstler (besonders die älteren Ausgaben) sind am besten im Art Shop des Hans Erni-Museums nachzufragen.